Robert Jentzsch

Willkommen im Reich der Čorna Kmótra

Die Rituale und Symbole, die im sorbischen Brauchtum zu finden sind werden heutzutage oftmals nur noch als traditionelle Elemente oder in Sagen wahrgenommen. Wir haben den Sinn dahinter vergessen. Der Sternenkranz wird zum Schmuckelement, den Backtrog leihen sich nur noch die Lutki aus. Das besondere Ritual der Braut, einen schwarzen Hahn auf dem neuen Hof freizulassen, um damit zu orakeln, ob sie überhaupt bleiben wird haben Pfarrer bereits vor Jahrhunderten abgeschafft, denn Frauen entscheiden doch nicht selbst über ihr Schicksal, oder?

Bei den Sorben gibt es eine besondere Sagengestalt. Die Mittagsfrau. In ihr verkörpert sich die Entwicklung des Glaubens von der vorchristlichen, mächtigen Herrin des Todes, die gnadenlos mit ihrer Sichel oder Sense zuschlägt hin zum cleveren Mädchen, das sich aus seinem eigenen, scheinbar unvermeidlichen Schicksal herausredet. Erlerntes Wissen besiegt, was jahrhundertelang als natürliche Ordnung der Welt anerkannt wurde. 

Einstmals war da der Himmel über uns und die Erde unter uns. Bei den Slaven war er Perun, sie war Mokosh oder die „feuchte Mutter Erde“. Sie steht für die 3 Phasen des Lebens: Geburt, Leben, Tod und für die Jahreszeiten in ihrem stetigen Wandel. Sie wird im Frühjahr als verdorrte, alte Puppe aus dem Dorf gebracht und im Wasser zu Grabe getragen, später verbrannt und noch später macht man sie zur Hexe, die an allem schuld ist, was böse in dieser Welt ist. 

Als junges Mädchen – bei den Westslawen hieß sie Živa, kehrt sie kurze Zeit später als „junges Blut“ mit der Lebensrute in Form eines grünen Bäumchens oder geschmückten Zweiges zurück. Das Grün steht für das neue Leben, das sie mit sich bringt. Solange alles grün ist, herrscht sie, die Fruchtbare. Im Herbst des Lebens ändern sich die Farben der Blätter und somit auch die Farben der Röcke der sorbischen Tracht. Das dunkle Blau des Lama-Rockes zeigte ursprünglich die Weisheit, die Frauen im Laufe des Lebens errungen haben, nun waren sie die Wissenden, die das Schicksal bis hierher geführt hat und die vor allem auch bei Geburten und Krankheit Rat wussten.

Schwangerschaft und Geburt waren früher sehr viel lebensbedrohlicher. Für Monate waren Frauen der Zwischenwelt ausgeliefert und mussten viele Regeln und Verbote beachten, um nicht sich selbst oder das Kind zu gefährden. Ein Verstoß weihte das Kind dem Bösen oder war Grund für eine Behinderung des Neugeborenen. Für eine gute Geburt suchten die Frauen den Segen der Erdmutter, später beteten sie zu Mutter Maria, gekleidet in einen dunkelblauen Mantel. 

Schon frühzeitig wurden die Paten erwählt, welche eine wichtige Rolle bei der Erziehung und finanziellen Unterstützung ihrer Patenkinder spielten. Der Brauch des Patengeschenkholens ist eng mit dem bekanntesten Brauch der Sorben- dem Eierverzieren- verbunden. Die roten, geschmückten Eier sollten dem Kind Glück und Wachstum im neuen Jahr bringen. 

Immer dann, wenn wir die Bedeutung von Symbolen vergessen, entstehen neue gefürchtete Gestalten. Aus den Gerippen und Schädeln, wie sie zu Krabats Zeiten überall als mahnende Erinnerung an den eigenen Tod zu finden waren wurde der Gevatter Tod- der Knochenmann. 

Und so wurde Sie schließlich vergessen. Die Dreigeteilte. Die Schicksalsbringerin.

Die Eine, welche Patin für unsere Čorna Kmótra stand.

 

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